- reitz-heike
- 28. Juli 2024
- 3 Min. Lesezeit
Patrick Stein veröffentlich im Hinterländer Anzeiger am 25.07.2024
1500 setzen Zeichen für die Klinik
Hinterländer zeigen bei Kundgebung ihre Solidarität mit den Beschäftigten des insolventen DRK-Krankenhauses
BIEDENKOPF. „So etwas sieht man eigentlich nur alle sieben Jahre, während des Grenzganges. Biedenkopf hat heute bewiesen, dass es noch mehr auf die Beine stellen kann und die Biedenköpfer und die Bürger der anderen Hinterländer Gemeinden stehen fest hinter dem Krankenhaus und seinen Mitarbeitern“, sagte Dirk Metz als stellvertretender Leiter der Intensivstation des Biedenkopfer DRK-Krankenhauses.
Krankenhaus für Mitarbeiter mehr als nur Arbeitsstätte
Am Mittwochabend versammelten sich rund 1500 Menschen auf dem Biedenkopfer Marktplatz, um für den Erhalt des DRK-Krankenhauses in der ehemaligen Kreisstadt zu demonstrieren.
Unter den Teilnehmern waren viele Mitarbeiter, Angehörige der Feuerwehren und des Rettungsdienstes sowie Bürger der Hinterland-Kommunen und Kommunalpolitiker.
Bereits am Nachmittag hatte das Ordnungsamt den Parkplatz vor dem Brunnen abgesperrt. Dirk Metz, Initiator der Kundgebung, hatte mit rund 400 Besuchern gerechnet. Am Ende sollten es mehr als dreimal so viele Bürger sein, die für den Erhalt des Krankenhauses einstanden. Nach Schätzung der Polizei und des Ordnungsamts befanden sich zeitweise 1500 Personen auf dem Marktplatz.
Nachdem Metz mit emotionalen Worten die Situation des Krankenhauses beschrieben hatte, gingen weitere Beschäftigte auf die Situation der Einrichtung und ihre persönlichen Erfahrungen ein. Neben Angestellten, wie etwa Anja Büscher, Bethel Akman und Falk Rütters, kamen auch Ärzte, wie Peter Wilke, Thomas Hannich und Rainer Häußermann zu Wort.
Für sie alle war das Krankenhaus mehr als nur eine Arbeitsstätte. Das erklärte auch der langjährige Notarzt Erich Wranze-Bielefeld, der trotz seines Ruhestandes wieder Dienste in der Notaufnahme des Biedenkopfer Krankenhauses übernimmt. „Das Krankenhaus bedeutet für die Menschen in der Region viel mehr. Einem 30-Jährigen mag es egal sein, ob er in ein weit entferntes Krankenhaus muss. Der 78-jährigen Patientin ist es jedoch nicht egal, sie wäre womöglich überfordert. Im heimatnahen Biedenkopf würde sie sich indes besser aufgehoben fühlen.“
Der Mediziner erklärte zudem, dass im Jahr 2023 rund 18.000 Notfalleinsätze im Landkreis vom Rettungsdienst abgearbeitet worden seien. Rund 10 Prozent wurden laut Wranze-Bielefeld im Biedenkopfer Krankenhaus versorgt.
„Hinzu kommen die vielen fußläufigen Patienten, die nicht in der Statistik des Landkreises auftauchen.“ Der Tenor, der von den Beschäftigten ausging, war einstimmig und auf vielen Plakaten zu lesen: „Wir kämpfen jeden Tag für euer Überleben, kämpft ihr bitte für unseres.“
Emotionale Wortbeiträge berühren die Teilnehmer
Personaler Florian Schmittdiel wandte sich an die Zuhörer: „Ich weiß, die Aussichten sind nicht gerade rosig, aber wir sind da und wir werden gebraucht. Wir suchen gute Leute und wir bilden weiterhin aus.“ Urologe Häußermann pflichtete ihm bei: „Die Menschen, die hier arbeiten, wollen hier arbeiten. Sie haben eine gute Ausbildung genossen und würden sonst überall mit Kusshand genommen, denn in den meisten Krankenhäusern herrscht noch immer ein immenser Fachkräftemangel. Dennoch haben sich die mehr als 300 Mitarbeiter dazu entschieden, ihrem Krankenhaus die Treue zu halten.“
Die Redner waren sich einig, dass das Biedenkopfer Krankenhaus ein unverzichtbarer Teil in der Versorgung des Hinterlandes ist. Peter Wilke brachte es auf den Punkt: „Wir wollen und können nicht jeden Tag Leben retten. Dafür sind wir trotz der hohen Motivation und der immensen Bereitschaft nicht ausgestattet, aber wir können eine grund- und regelhafte Versorgung gewährleisten.“
Wie einige der Redner zuvor, wandte sich Karl-Friedrich Salzmann vom DRK-Kreisverband Biedenkopf an den Landkreis und weitere Entscheider: „Wir bitten im Namen der Belegschaft und der Bürger für einen Erhalt des Krankenhauses. Es darf nicht geschlossen werden.“
Biedenkopfs Bürgermeister Jochen Achenbach (CDU) sagte, dass die Mitarbeiter und die Teilnehmer der Demo ein wichtiges Zeichen gesetzt hätten: „Das Krankenhaus steht für die Versorgung von 60.000 bis 70.000 Menschen. Jetzt bleibt zu hoffen, dass dieses Zeichen von den entscheidenden Kräften entsprechend wahrgenommen wird.“
Lautes Klatschen und Jubeln folgte den Redebeiträgen. Einige Teilnehmer waren sichtlich gerührt. „Hinter jedem Arbeitsplatz steckt eine Familie. Es geht nicht nur um die Versorgung der Region, sondern auch um die einzelnen Schicksale, die mit dem Krankenhaus verbunden sind. Dafür lohnt es sich hoffentlich, einzustehen“, sagte eine Biedenkopferin.
Ob das Krankenhaus eine Zukunft hat, ist ungewiss
Im Jahr 2023 hatte der DRK-Kreisverband Biedenkopf Insolvenz anmelden müssen. Im März stellte der Landkreis Marburg-Biedenkopf mit Zustimmung des Landes Hessen rund 2,66 Millionen Euro zur Verfügung, um den Verhandlungen Zeit zu verschaffen. Mit dem Geld wurde der Fortbestand des Krankenhauses bis zum Jahresende 2024 sichergestellt. Seitdem ist es ruhig um die Zukunft der Einrichtung geworden. Der Insolvenzverwalter gibt keine Informationen über den Weiterbetrieb über das Jahresende hinaus bekannt.
Ebenfalls im März war eine Delegation aus dem Hinterland nach Berlin gereist und hatte eine Petition zum Erhalt des DRK-Krankenhauses an das Bundesgesundheitsministerium übergeben. Mehr als 67.000 Menschen hatten das Schreiben unterzeichnet.
Kommentare