- reitz-heike
- 25. März 2024
- 3 Min. Lesezeit
Kreistag sagt „Ja“ zum Krankenhaus
Einstimmiger Beschluss, die Verluste von bis zu 2,66 Millionen Euro in diesem Jahr auszugleichen
Von Mark Adel, Hinterländer Anzeiger vom 22.03.2024
BIEDENKOPF/MARBURG-CAPPEL. Der Landkreis fängt die Defizite des Biedenköpfer DRK-Krankenhauses in diesem Jahr auf. Damit ist der Weiterbetrieb der Klinik vorerst gesichert. Bis zu 2,66 Millionen Euro kann der Kreis auszahlen. Der Beschluss im Marburg-Biedenkopf Kreistag fiel einstimmig. Was sagen die Abgeordneten, und wie geht es weiter?
Es waren vor allem die Abgeordneten aus dem Hinterland, die zum Rednerpult schritten.
„Es geht um den Erhalt einer wichtigen Einrichtung, nicht nur für Biedenkopf und das Hinterland, sondern den gesamten Landkreis“, sagte Joachim Thiemig (SPD), früherer Biedenkopfer Bürgermeister. Schon aus Kapazitätsgründen wären andere Krankenhäuser nicht in der Lage, alle Patienten der Biedenkopfer Klinik aufzunehmen.
Das Krankenhaus sei „wesentlicher Bestandteil der stationären medizinischen Versorgung in der Region“, sei wichtig für die Notfallversorgung und durch das Facharztsystem auch für ambulant behandelte Patienten. „Wir können ein starkes positives Signal in die Region senden, an die Beschäftigten, dass ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
Dennoch gebe es noch Unklarheiten, gab er zu: „Es gibt nicht auf jede berechtigte Frage eine Antwort.“
Sein Vorgänger als Bürgermeister, Karl Hermann Bolldorf (AfD), forderte mehr Informationen für die Fraktionen. „Wichtige Informationen wurden nur sporadisch und zögerlich mitgeteilt“, kritisierte er. Der Kreis habe einen gesetzlich verankerten Versorgungsauftrag. Es sei zwar fraglich, ob er sich finanziell engagieren müsse. Die Mitteilung des hessischen Sozialministeriums sei aber eindeutig: „Am Erhalt des DRK-Krankenhauses darf kein Weg vorbeiführen.“
Der CDU-Abgeordnete Markus Doruch, ebenfalls Biedenkopfer, forderte: „Bei der Krankenhausreform müssen lokale Besonderheiten wie das Belegarztsystem berücksichtigt werden.“ Dieser Umstand sorgt nämlich bislang dafür, dass dem Krankenhaus Zuschüsse nicht gewährt werden.
Mit der finanziellen Unterstützung sichere der Kreis nicht nur den Weiterbetrieb, „wir gewinnen auch wertvolle Zeit.“
Es sei „der erste und der wichtigste Schritt“, sagte Jürgen Reitz (UWG). Es stelle sich aber die Frage: „Werden wir es wirklich schaffen, es zu erhalten?“ Dazu würden noch „etliche schwierige Verhandlungen anstehen“, sagte der Breidenbacher und prognostizierte: „Es wird ohne Beteiligung des Landkreises nicht möglich sein, das Krankenhaus zu erhalten.“
Er verwies auf die große Solidarität. Bund und Land müssten mit einbezogen werden, für das Krankenhaus müsse es eine Sonderregelung geben: „Wir brauchen eine Lex Biedenkopf.“
Insolvenz ist auch eine Chance
Wenig optimistisch äußerte sich Anna Hofmann (Linke). „Das ist kein großer Wurf.“ Sie bezeichnete die Finanzspritze als „ein in der Not geborenes Modell, das bis Ende des Jahres den Betrieb sichert“. Es gebe kein Betreibermodell und keine gesicherte Finanzierung über das Jahr 2024 hinaus. Sie sieht Bund und Land in der Pflicht. „Es kann nicht sein, dass die Kommunen am Ende immer einspringen.“
Für Thomas Riedel (FDP) ist wichtig, „dass wir das Zeichen setzen können“. Er forderte, dass der Kreistag regelmäßig über die nächsten Schritte informiert wird.
Landrat Jens Womelsdorf (SPD) erläuterte, dass der Kreis bislang in den Prozess der Insolvenz nicht involviert war. „Jetzt kommen wir in die Situation, mitzusprechen.“ Der Beschluss sei ein „starkes Signal an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Es werde aber nur ein erster Schritt sein. Womelsdorf verwies auch auf das Engagement der Hinterländer Bürgermeister, ergänzt um die Rathauschefs aus Hatzfeld und Bad Laasphe. Das verdeutliche die Bedeutung des Krankenhauses über die Grenzen des Landkreises und des Landes hinaus. Die Bürgermeister hatten unter anderem eine Petition zum Erhalt der Biedenkopfer Klinik mit 67.000 Unterschriften im Berliner Gesundheitsministerium übergeben. Der Landrat betonte auch, dass die Verhandlungen meist hinter verschlossenen Türen stattfinden müssten und vertraulich seien.
Das Insolvenzverfahren des DRK-Kreisverbandes ist am 1. Dezember 2023 eröffnet worden. Das DRK ist Träger und Betreiber des Krankenhauses in der ehemaligen Kreisstadt. „Der Krankenhausbetrieb kann aktuell nicht kostendeckend geführt werden und ist Ursache für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Kreisverbandes des DRK-Biedenkopf“, heißt es in der Beschlussvorlage des Kreistags.
Das hessische Gesundheitsministerium hat im Februar mitgeteilt, dass „zumindest die Aufrechterhaltung des Fachgebiets Innere Medizin einschließlich einer Einheit zur Stabilisierung von Patientinnen und Patienten im Rahmen der Notfallversorgung“ notwendig sei. Das bedeutet, dass das Krankenhaus eine Notaufnahme benötigt, die der Rettungsdienst anfahren kann. Letzteres ist insbesondere für die Notfallversorgung durch den Rettungsdienst erforderlich.
Wichtig für die Notfallversorgung
Die Bundesagentur für Arbeit hat bis 30. November Insolvenzgeld gezahlt. Der Gläubigerausschuss hat nach Angaben des Insolvenzverwalters Carsten Koch beschlossen, „den Teilgeschäftsbetrieb unverzüglich einzustellen, wenn nicht bis spätestens Ende März sichergestellt ist, dass die im Jahr 2024 durch den Weiterbetrieb des Krankenhauses der Insolvenzmasse bis zum Abschluss einer angestrebten Übertragung/Sanierung entstehenden Verluste durch Dritte ausgeglichen werden.“
Sprich: Die Gläubiger wollen weitere Defizite nicht mittragen. DRK, Insolvenzverwalter und das Land sehen den Landkreis in der Pflicht, eine Finanzierungszusage abzugeben, weil das Land an der Notwendigkeit des Krankenhauses festhält. Eine Alternative gibt es demnach derzeit nicht.
Wie es weiter geht, dürfte auch von der Unterstützung aus Wiesbaden und Berlin abhängen.
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